Weniger Stress durch Selbststeuerung

SelbststeuerungIn einem Zeitalter, in dem für jeden Impuls die sofortige Erfüllung durch grenzenlosen Konsum möglich ist, klingt Selbststeuerung zunächst nach Lust- und Genussfeindlichkeit. Lassen wir uns aber ausschließlich durch Reiz-Reaktionsmuster steuern, entstehen emotionaler und körperlicher Stress mit Abhängigkeiten bis hin zum Suchtverhalten. Zum Menschsein gehört die Selbstfürsorge und der gesunde Umgang mit den Impulsen von außen und Innen, auch unter Verzicht auf weniger förderliche Wünsche. Selbststeuerung hat daher in der Gesamtbetrachtung einen Gewinn an Freiheit und Selbstbestimmung zur Folge. Aus Sicht des Neurobiologen beschreibt Bestsellerautor Prof. Joachim Bauer die Selbststeuerung als ein Instrument zu einem Leben im Jetzt anstatt sich der Fremdbestimmung durch impulshaftes Handeln zu überlassen.

Freiheit, Flexibilität und soziale Intelligenz finden im präfronalen Kortex statt, der mit dem Triebsystem (u.a. Belohnungssystem) in enger Verbindung und in wechselseitiger Kontrolle steht. Die Potenziale des präfronalen Kortex sind bei der Geburt angelegt, entwickeln sich aber erst im Erleben über die sozialen Beziehungen innerhalb der ersten 20 Lebensjahre. Seine Funktionen können verkümmern, wenn sie nicht eingeübt werden. Erst im ausgereiftem Zustand kann der präfrontale Kortex das Belohnungssystem kontrollieren, so daß wir nicht mehr auf jeden Impuls mit der schnellen Erfüllung des Bedürfnisses reagieren, sondern diesen Impuls kontrollieren können.
Soziale Erfahrungen und Beziehungen formen unser Gehirn und beeinflussen die Reifung des präfronalen Kortex. Dessen Reife hat, neurobiologischen Studien zufolge, nachhaltige positive Auswirkungen auf ein späteres Leben mit einem höheren Selbstbewußtsein, Widerstandsfähigkeit gegen Stress, Zielstrebigkeit und Erfolg und geringer Neigung zu psychischen Störungen.

Wer dauerhaft das Gefühl hat, fremdgesteuert zu sein, überzieht seine Möglichkeiten der Selbststeuerung und erschöpft damit sein Selbst. Dies führt zu einer zeitweisen Abschaltung des präfronalen Kortex. Dann schlägt die Stunde des vom Reptilienhirn gesteuerten Belohnungssystems. Der Wunsch nach umgehender Befriedigung des Bedürfnisses nach Entspannung führt dann zum ungesunden schnellen Genuß, z.B. Fernsehen, dem Konsum digitaler Medien, fast Food oder Süßigkeiten. In der Folge verschärft sich die Erschöpfung des Ichs.

Der bessere Weg, den Stress zu reduzieren wären Bewegung, Yoga, Meditation oder Achtsamkeitsübungen. Diese Techniken unterstützen die Entwicklung eines selbstgesteuerten Verhaltens und erhöhen die Widerstandsfähigkeit gegen Stressoren.
Selbststeuerung bedeutet also, nicht immer das Naheliegende und Bequeme zu tun, sondern ggf. auch kurzfristig auf etwas zu verzichten, um danach von einem Gewinn an Freiheit und Glück zu profitieren.