Ist Karma ein unausweichliches Schicksal?

Meist wird der Begriff Karma tatsächlich als das Schicksal betrachtet, dem man nicht entgehen kann, weil es vorherbestimmt ist. „Gute“ Menschen, die ein Schicksalsschlag nach dem anderen ereilt, während andere, „böse“ Menschen, ungestraft ihr Leben genießen dürfen. Es heißt dann, dass die “Guten” in diesem Leben Karma aus früheren Leben abarbeiten müssen.

Der international bekannte Vordenker und Redner Sadhguru räumt mit den gängigen Mythen über Karma auf. Es komme vor allem auf die Absicht an, mit der eine Handlung begangen wird und in welcher Emotion sie stattfindet. Entscheidend ist der Grad der Identifikation mit der Absicht oder einem Verlangen. Je höher das Verlangen, umso mehr Karma wird angehäuft. Bereits Buddha wies darauf hin, wie wichtig es ist, aus innerer Erfüllung zu handeln anstatt aus dem Streben nach einem bestimmten Zustand. Es gibt dabei keine Bewertung von gut oder böse, Karma ist also kein altes Social-Credit-Konzept. Sowohl gute wie böse Handlungen und Gedanken können zur Anhäufung von Karma führen, wenn sie nicht aus innerer Überzeugung, sondern mit der Absicht, etwas Bestimmtes unbedingt erreichen zu wollen, durchgeführt werden. Auch der Wunsch, Karma zu vermeiden, führt zu einer Anhäufung von Karma.

Dabei unterscheidet sich die Anhäufung von Karma auch nicht darin, ob die Handlung tatsächlich stattfindet oder nur gedacht wird. „Ein negativer Gedanke kann… Karma erzeugen. Ein negativer Gedanke in Verbindung mit einer negativen Emotion bedeutet tieferes Karma…Sobald du versuchst, zu deinem Vorteil auf einen anderen Menschen energetisch einzuwirken, erzeugst du damit das schlimmstmögliche Karma.“

Karma hat nichts mit Belohnung oder Strafe zu tun, es ist als ein Prozess zu sehen, in dem sich das Leben aus seiner inneren Logik heraus entwickelt. Sadhguru beschreibt Karma als die Summe der Erinnerungen, eigener und der der Vorfahren, die uns zu dem machen, was wir sind. „… sie sind Phantome ihrer Vergangenheit. Ihr Leben ist einfach durch die Erinnerung ihrer Vorfahren programmiert.“ Wir leben also in hohem Maße das Leben Anderer. Auch die moderne Epigenetik beschreibt im Übrigen den Einfluss der Lebenserfahrungen früherer Generationen auf die Regulation unserer Gene.

Dieses Gedächtnis funktioniert auf verschiedenen Ebenen, eine körperliche, energetische und geistig-spirituelle gehören dazu. Auf der körperlichen Ebene wird im Gegensatz zur geistigen jede Erinnerung unterschiedslos aufgenommen und gespeichert. Daher haben körperliche Kontakte und Beziehungen eine besonders starke Auswirkung auf das Ansammeln von Karma.

Karma ist der große Speicher aller gesammelten Erinnerungen, Gedanken, Emotionen, Meinungen, die uns zum Handeln führen, wenn der Zeitpunkt dafür gekommen ist. Wichtig ist dabei, diese bewusst auszuführen, unbewusste Handlungen und aus Erinnerungen erzeugte führen zu einer weiteren Anhäufung von Karma. In Zustand der Meditation hört man ganz auf Karma zu produzieren, daher wird dieser Zustand in vielen spirituellen Traditionen angestrebt.

Das Ziel ist es, sich freizumachen von Erinnerungen, die zwangsweise zu bestimmten Handlungsweisen führen und stattdessen zu einer inneren Freiheit mit bewusster Entscheidung zu gelangen. Karma, so Sadhguru, ist wie eine Software, die als Programm die Möglichkeiten innerhalb selbst errichteter Mauern und Grenzen vorgibt.

Im 2.Teil beschreibt Sadhguru konkret, wie wir mit dem uns gegebenen Karma umgehen, und wie wir es vermeiden Neues anzuhäufen. Sadhguru gilt als einer der großen spirituellen Vordenker und auch Deepak Chopra spricht von ihm als von seinem Lehrer.

Mich hat schon Sadhgurus erstes Buch auf Deutsch tief beeindruckt. Ich habe es, ebenso wie das Neue, häppchenweise und mehrfach gelesen. Allmählich entsteht so eine Ahnung, was Karma ausmacht und welche Grenzen, aber auch welches Potenzial, damit verbunden sind. Diese beiden Bücher begleiten mich für lange Zeit.