Wahrheit und die Pathologie der Normalität

Normopathie ist kein Phänomen eines Jahrhunderts oder einer Gesellschaftsform. Zwar sind naheliegenderweise totalitäre Gesellschaften besonders von genormtem Denken und Handeln geprägt, anfällig sind aber alle Menschen dafür. Menschen werden mit einem sozialen Gehirn geboren und reagieren heftig auf Mechanismen der Ausgrenzung, sie wollen dazu gehören. In früheren Gesellschaften wurden Menschen, die gegen Normen verstießen, der Stadt verwiesen und fanden außerhalb der Stadttore den sicheren Tod. Soziale Ächtung war und ist zu jeder Zeit die Folge des Denkens außerhalb der vom Zeitgeist festgesetzten Normen.

Christian Dittrich-Opitz und Christian Salvesen arbeiten als Journalisten und Autoren und hinterfragen medizinische und sozialwissenschaftliche Themen unserer Zeit. In einem theoretischen Teil gehen sie zunächst auf die Theorie der Normopathie ein, anhand der Werke von Rainer Mausfeld und Hans-Joachim Maaz.

Mausfeld benennt in “Warum schweigen die Lämmer?” einen sozialen Druck, der durch das Denken einer neoliberalen Elite entsteht und kritisiert, dass Sprache manipulativ eingesetzt wird.

Hans-Joachim Maaz bezeichnet in seinem Bestseller „Das falsche Leben“ Normopathie als „…die Anpassung an mehrheitliche Meinungen und Positionen, nicht weil diese wahr sind oder als beste Möglichkeit das Leben sichern, sondern weil „das falsche Leben“ damit am besten kaschiert und verleugnet werden kann.“ Nebenbei sind beide hier zitierten Werke Longseller, sie erschienen bereits Jahre vor der aktuellen Krise und sind unverändert lesenswert.

Ist Normopathie eine neue Entwicklung? Dieser Frage gehen die Autoren in einem Kapitel nach, in dem sie ausgewählte Beispiele aus der Geschichte beschreiben. Man muss dabei nicht unbedingt bis auf Galileo Galilei zurückgehen, der von der Kirche verurteilt wurde, weil er die Sonne in den Mittelpunkt unseres Planetensystems stellte. Aber auch Sklaven als gleichwertige Menschen zu betrachten, galt lange als ketzerisch, während heute gilt: Black lives matter. Auch die Geschichte der Emanzipation beschreibt eine 180Grad-Wende in der Betrachtung. Noch 1974 sprach sich der damalige Bundespräsident Walter Scheel gegen die Gleichberechtigung der Frau aus: „Gegen etwas Gleichberechtigung der Frau hat niemand etwas einzuwenden. Aber gegen die volle Gleichberechtigung spricht ja schon die Natur.“ Diese Sätze wären heute undenkbar und würden einen Sturm der Entrüstung hervorrufen.

Diese Geschichte der Normopathie macht nachdenklich, und man fragt sich bereits während des Lesens dieses Kapitels, welche Gedanken wir heute noch für richtig halten, die wir in einigen Jahren für völlig falsch und überholt halten werden. So beleuchten die Autoren in der Folge die Normen, die in unserer aktuellen Krise gelten. Sie hinterfragen die Grundlagen, z.B. den PCR-Test, der Genpartikel nachzuweisen versucht. Ob der Test tatsächlich Virenpartikel von den körpereigenen Exosomen unterscheiden kann, hat selbst der Entwickler des PCR, Kary Mullis, bezweifelt und seinen Test als ungeeignet für den Nachweis von Viren bezeichnet. Viele als Tatsachen betrachtete Grundannahmen der Krisenpolitik werden auf den Prüfstand gestellt. Was wäre, wenn diese Grundannahmen gar keine unumstößlichen Fakten sind? Wie werden wir in einigen Jahren darüber denken?

Fazit: dieses schmale Büchlein ist für alle eine interessante Lektüre, die keine einfachen Antworten mögen und selbstkritisch hinterfragen, ob das, was sie denken, wirklich die alleinige Wahrheit ist.