Longevity: Länger und besser leben

In den letzten 100 Jahren ist es den Menschen in den westlichen Ländern gelungen, ihre Lebenszeit statistisch deutlich zu erhöhen. Gleiches allerdings gilt nicht für die Qualität ihres Lebens, denn die meisten Menschen verbringen ihre letzten Lebensjahre im Zustand chronischer Erkrankungen. Krebs, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, neurodegenerative Prozesse und Demenzen, Typ-2-Diabetes scheinen unausweichlich mit dem Altern verbunden.

Unser sog. Gesundheitssystem therapiert diese Erkrankungen mehr oder weniger erfolgreich, aber erst, wenn die Erkrankung bereits eingetreten ist. Krankheitssymptome werden repariert, eine Heilung ist nicht das Ziel der Behandlungen. Im Beispiel von Diabetes beginnt die Behandlung mit Medikamenten, die den Körper in der Insulinproduktion unterstützen, erst ab einer definierten Schwelle z.B. des Laborwerts HbA1c (Langzeitzucker). Liegt der Wert noch knapp darunter, findet keine Behandlung statt, zumindest keine von Krankenkassen finanzierte. Weshalb lassen wir es überhaupt so weit kommen, dass die Erkrankung sich manifestiert?

Diese Frage stellte sich Dr.Peter Attia. Er hat in Stanford Medizin studiert und als Krebschirurg gearbeitet und zu Immuntherapien geforscht. Er war erfolgreicher Langstreckenschwimmer (24km gegen die Strömung) und hielt sich für athletisch bis seine Frau ihn vollschlank nannte. Seine Laborwerte zeigten das Desaster: er war bereits insulinresistent, die oben aufgezählten Krankheiten warteten damit auf ihn, das wurde ihm im Alter von 36 klar. So begann er das Thema Medizin 3.0 zu entwickeln, mit dem Ziel, diese vermeidbaren chronischen Krankheiten bei sich selbst und bei seinen Patienten gar nicht erst entstehen zu lassen. Es sind durch den Lebensstil bedingte Erkrankungen, die durch eine Veränderung des Lebensstils abgewendet werden können.

Er beschreibt die Lebensweise der Hundertjährigen ebenso wie die Entdeckung des lebensverlängernd wirkenden Rapamyzin, auf dem viele Hoffnungen ruhen, weil damit ein Prozess beeinflusst werden kann, der für Zellwachstum zuständig ist. Gerät der Signalweg mTOR außer Kontrolle, besteht das Risiko unkontrollierten Zellwachstums. Das Zellwachstum kontrollieren kann jedoch nicht nur Rapamyzin, sondern auch Kalorienrestriktion u.a. über den Prozess der Autophagie. Das Zellwachstum in Balance zu halten und die Wiederverwertung zu unterstützen, scheint ein sinnvoller Ansatz zu sein.

Detailliert und anschaulich beschreibt er den fatalen Weg zu chronisch entzündlichen Prozessen, bedingt durch den Nahrungsüberfluss. Die daraus entstehenden Stoffwechselerkrankungen führen zu Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Krebs und zu neurodegenerativen Erkrankungen. Diese scheinbar mit dem Alter in Verbindung stehenden Erkrankungen sind fortgeschrittene Stoffwechselerkrankungen, die in der Wahrscheinlichkeit mit dem Alter zunehmen, deren Ursachen aber in biochemischen Prozessen liegen und deutlich früher auftreten.

Im 3.Teil beschreibt Peter Attia einige der Ansätze, die Longevity ausmachen. Neben der Ernährung steht insbesondere Sport als wirksamstes Mittel gegen alle Arten von mit dem Altern einhergehenden Erkrankungen im Mittelpunkt seiner Betrachtungen. Wer dabei vor allem an Ausdauertraining denkt, denkt zu kurz. In Anbetracht der bereits im mittleren Alter nachlassenden körperlichen Kräfte ist es entscheidend, bis ins hohe Alter so zu trainieren, dass möglichst lange möglichst viel Kraft und Stabilität erhalten bleiben. Krafttraining scheint lt. Studienlage der vielleicht wichtigste Faktor zu sein, noch vor einer ausreichenden Versorgung mit den richtigen Nährstoffen. Nach seiner Erfahrung gibt es nicht die eine Ernährungsweise, wenngleich er mit Keto besonders gute Erfahrungen macht. Die für einen stabilen Insulinspiegel verträgliche Menge an Kohlenhydraten erlebt er bei seinen Patienten als sehr unterschiedlich.

Die Themen Schlafmangel und Stress betrachtet er unter metabolischen Aspekten: beide führen zu Blutzuckerspitzen und damit zu einer gefährlichen Entgleisung des Insulin-Stoffwechsels. Schon bei regelmäßig weniger als 6 Stunden Schlaf kann so der Weg in die Insulinresistenz bereitet sein, mit allen damit verbundenen folgenden Prozessen wie Risiken für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Krebs, Typ-2-Diabetes und Neurodegeneration.

Fazit: Gut verständlich beschreibt Peter Attia die Kaskade der stattfindenden Prozesse. Um länger und besser zu leben, bedarf es der frühen Erkennung von Stoffwechselentgleisungen und entsprechender Lebensstilmaßnahmen.
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