Faktoren der Langlebigkeit

Altern ist ein multifaktorieller biologischer Prozess. Unter Langlebigkeitsforschern geht man davon aus, dass ein Alter von 120 Jahren erreichbar ist. Ziel ist es dabei, nicht nur die Zahl der Jahre zu erhöhen, sondern vor allem die Zahl derer mit einer guten Gesundheit. Die Realität sieht derzeit anders aus: fast zwangsläufig scheinen mit dem Altern Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Stoffwechselstörungen und metabolisches Syndrom sowie fehlgeleitete Prozesse, die zu Krebserkrankungen führen, mit dem Altern verknüpft zu sein.

Der Molekularbiologe Dr. Slaven Stekovic forscht zum Thema Langlebigkeit und fiel 2018 mit seinem Bestseller „Der Jungzelleneffekt“ erstmal international auf. Er gehört lt. Forbes zu den Top 30 im Bereich Longevity. Mit seinem neuen Titel legt er eine Einführung in grundlegende Mechanismen des Alterns vor sowie den Möglichkeiten, darauf einzuwirken.

Dominierte früher die Einschätzung, dass „gute“ Gene für Langlebigkeit erforderlich sind, so weiß man heute dass deren Bedeutung nur bei 4 bis 7% liegt. Zwar wurden 371 Gene entdeckt, die die Langlebigkeit unterstützen, doch ist es eher eine Frage des Lebensstils, ob diese wirksam werden können. Sehr bekannt wurden die Sirtuine, von denen es im menschlichen Körper 7 gibt, nummeriert von 1 bis 7. Ihre Aufgabe ist es, Störungen und Fehler der DNA zu reparieren. Aktivieren lassen sich die Sirtuine über Lebensstilfaktoren, zu denen Fasten und Bewegung ebenso gehören wie Mikronährstoffe wie Niktotinamid-Adenin-Dinukleotid, kurz NAD+, und seine Vorstufen.

Spannend ist, dass mit weit einer Beteiligung von über 90% Faktoren des Lebensstils dafür verantwortlich sind, ob und wie Gene „gelesen“ werden. Evolutionär macht eine solche schnelle Anpassung der Gene durch ihre Aktivierung oder Nichtaktivierung Sinn. Und diese Veränderungen werden an die nächsten Generationen übertragen. Ein Bespiel ist der berühmte „Hongerwinter“ in den Niederlanden zum Ende des 2.Weltkriegs, in der der Körper der Betroffenen mit einer mehrmonatigen Phase des Hungerns umgehen musste. Stoffwechselprozesse veränderten sich, und diese Veränderung zeigte sich auch in der Folgegeneration: Die genetisch an Mangel angepassten Nachfahren verarbeiteten Nahrung hoch effizient, was zur Folge hatte, dass sie durch die Fülle der zur Verfügung stehenden Nahrung häufig an Fettleibigkeit und entsprechenden chronischen Erkrankungen litten.

Mit Hilfe von rund 25000 Genen kann der Körper 300.000 Proteine bauen. Die Baustoffe dafür und für die Energieversorgung bekommt er aus der Nahrung, aus Kohlenhydraten (Zucker), Fetten, Proteinen (Eiweißen) und Nukleinsäuren. Tritt ein Mangel auf bzw. ist der Körper nicht in der Lage, diese sinnvoll zu verwerten, treten Mangelzustände auf. Aber auch beim Prozess der Autophagie, der sich über bestimmte sekundäre Pflanzenstoffe oder über Fasten aktivieren lässt, werden alte und defekte Zellbestandteile recycelt.

In einem eigenen Kapitel betrachtet Stekovic den metabolischen Stoffwechsel und seine Einflussfaktoren und stellt die entzündungsarme ketogene Ernährung als diejenige mit dem größten positiven Einfluss auf die Langlebigkeit heraus. Der Körper gewinnt seine Energie dabei nicht aus Kohlenhydraten (Zucker), sondern aus Fetten und Proteinen.

Das Mikrobiom spielt ebenfalls eine herausragende Rolle unter den Longevity-Faktoren. Dabei kommt es weniger auf einzelne Bakterien an als vielmehr auf dessen Diversität und die Möglichkeit der Darmbakterien mit dem, was wir an Nahrung zuführen, umzugehen.

Über Ernährung und Fasten hinaus hat die Tageszeit der Nahrungsaufnahme eine hohe Relevanz. Fast alle Prozesse im Körper unterliegen zirkadianen Rhythmen. Dazu gehört auch der Schlaf-Wach-Rhythmus, der den Tag-Nacht-Rhythmus reguliert. Seine Bedeutung ist kaum zu überschätzen, denn nachts wird das Gehirn über die extrazelluläre Flüssigkeit des sog. glymphatischen Systems von Abfallstoffen gereinigt. Männliche und weibliche Gehirne unterscheiden sich rein quantitativ in der Größe, was dazu führt, dass die Zellen im weiblichen Gehirn dichter gepackt sind und damit der Raum für die extrazelluläre Flüssigkeit kleiner ist. Dies wird als Grund dafür gesehen, dass Frauen mit 8 bis 9 Stunden mehr Zeit für die nächtliche Reinigung des Gehirns benötigen als Männer. Diese benötigen im Schnitt nur 7 bis 8 Stunden dafür.

Fazit: Stekovic bietet einen guten Einstieg in die Erkenntnisse der Langlebigkeitsforschung und gibt Hinweise auf konkreten praktische Maßnahmen zur Umsetzung.