Glück entsteht im Gehirn, denn die Ausschüttung wichtiger Botenstoffe löst angenehme Gefühle aus. Evolutionsbiologisch war das ein wichtiger Antreiber für die Entwicklung des Menschen, dafür sich immer bessere und größere Lebensräume zu schaffen. Aus Afrika verteilten sich unsere Vorfahren über die ganze Welt, weil sie sich vom Vierbeiner zum Zweibeiner entwickelten. Als Zweibeiner hatten sie plötzlich viele neue Vorteile: sie konnten durch das aufrechte Gehen die Umgebung überblicken und sich aus ihrer ökologischen Nische herausbewegen, sie konnten Waffen tragen und waren damit weniger abhängig von dem jahreszeitlichen Angebot an Pflanzen und Früchten. Auch der Nachwuchs, der eher unbeweglich macht, konnte auf den Händen getragen und mitgenommen werden. Weil Bewegung eine so entscheidende Rolle in unserer Evolution spielte, ist unser Gehirn darauf eingerichtet. Mehr noch- Bewegung hat auch heute noch eine wesentliche Funktion für die synaptischen Verbindungen in unserem Gehirn und für unsere Gehirngesundheit.
Entwicklungsbedingt haben unter den Bewegungsarten Bewegungen mit den Beinen, insbesondere Gehen, eine besondere Wirkung. Gehen unterstützt die kognitiven Funktionen des Gehirns, denn während des Gehens bewegt sich der Kopf und damit verändern sich die Impulse, die das Gehirn erhält. Dadurch verändert sich auch das Netz der synaptischen Verbindungen. Vor einigen Jahren legte ein 62-jähriger Italiener die 1300 km der Via Alpina in 3 Monaten zu Fuß zurück. Er war einigermaßen fit, doch diese Alpendurchquerung hatte bemerkenswerte Folgen auf nahezu alle vorher und nachher gemessenen Parameter. Der BMI und die belastenden Triglyzeride (Fette) hatten sich reduziert und stellten danach eine geringere Belastung für das Herz dar.
Shane O’Mara ist Professor für experimentelle Neurowissenschaft und beschreibt welche Voraussetzungen das Gehirn bietet, um Gehen zu ermöglichen. Areale des Gedächtnisses (Hippocampus) z.B. ermöglichen uns die Navigation im dreidimensionalen Raum. Es entstehen kognitive Kartierungen, die auch ohne visuellen Input funktionieren, so eine Studie mit von Geburt an blinden Menschen. Der räumliche Sinn entwickelte sich aus der der Bewegung in der Welt und die Informationen dazu liefern die verschiedensten Sinne. Führt also die in unserer Gesellschaft im Altern zunehmende Bewegungsarmut zum verstärkten Auftreten von Demenzerkrankungen? Diese betreffen zuallererst den Hippocampus, in dem neben dem Kurzzeitgedächtnis auch die Funktion der Raumkartierung angesiedelt ist. Mehr Bewegung könnte in diesem Zusammenhang vorbeugend wirken.
Bewegung führt auch zum Erhalt der Muskelmasse, wohingegen Bewegungsmangel zum Abbau führt. Das hat natürlich auch im Gehirn Folgen: Wenn synaptische Verbindungen nicht mehr genutzt werden, werden sie zugunsten anderer, stärker genutzter, abgebaut. Das Gehirn entwickelt sich nutzerorientiert in die Richtung, in der es verwendet wird. Damit kann Energie eingespart werden und da eingesetzt werden, wo sie benötigt wird.
Bewegungsmangel ist auch mit Persönlichkeitsveränderungen verbunden. Geringere physische Aktivitäten führen lt. Studien zu einem Rückgang an Offenheit, Extraversion und Verträglichkeit. Je inaktiver jemand ist, umso stärker ist die Tendenz zu negativen Persönlichkeitsveränderungen.
Fazit: ein faszinierendes Buch, das eine starke Motivation bewirkt, sich regelmäßig und maßvoll zu bewegen. Es geht nicht darum, triathlonfähig zu werden, sondern das regelmäßige „Gehen ist die beste Medizin“ (Hippokrates)