Der Darm als Schaltstelle für Gehirn und Immunsystem

80% der Informationen gehen vom Darm zum Hirn, nur 20% nehmen den umgekehrten Weg. Damit liegen im Gehirn permanent Informationen über das Befinden des Darms und vorhandene Beschwerden vor. Der Inhalt des Darms durch das, was der Mensch auch im übertragenen Sinne zu sich nimmt, und die sich daraus ergebende mikrobakterielle Zusammensetzung wandern als Information über den Vagusnerv ins Gehirn. Wichtige Teile des Immunsystems liegen im Darm, sodass bei Störungen im Darm sofort auch das Immunsystem beeinträchtigt ist, sei es durch Autoimmunreaktionen oder eine zu schwache Abwehr.

Empfindlich reagiert der Darm auf Stress jeder Art mit körperlichen Symptomen. Die Frage, ob Stress nur die Ursache oder vielleicht eher die Folge eines ungünstig zusammengesetzten Mikrobioms ist, lässt sich heute noch nicht endgültig beantworten. Viel spricht aber dafür, dass Stress als Folge von Darmproblemen auftritt.
Der Zustand des Darms nimmt auf jeden Fall entscheidenden Einfluss auf die physische und psychische Gesundheit. Auch das Denken wird davon geprägt, wobei der Einfluss weit über das rein Kognitive hinausgeht. Evolutionsgeschichtlich dürfte der Darm, wie bei vielen Lebewesen noch erkennbar, bereits vor dem Gehirn existiert haben. Um den Darm entwickelte sich dann im Laufe der Evolution ein Nervensystem.

90% des Botenstoffes Serotonin entstehen im Darm, das zwar nicht direkt ins Gehirn gehen kann, wohl aber seine Vorstufe, das Tryptophan. Auch die Vorstufe von Dopamin als entscheidendem Hormon für Motivation entsteht mit seiner Vorstufe Tyrosin im Darm. Glück und Zufriedenheit hängen daher in nicht geringem Maße vom Zustand des Darms ab.

Wie schnell Zucker verstoffwechselt wird, entscheidet sich aus der Zusammensetzung des Darms. Auch das Gehirn hat insulin-abhängige Rezeptoren und reagiert höchst sensibel auf häufige Blutzuckerspitzen. Es wird dadurch anfällig für Entzündungen bis hin zu einem gesteigerten Vorkommen von Depressionen. Der glücklich machende Effekt von Zucker und von als Zucker verstoffwechselten Kohlenhydraten ist also nur sehr kurzfristig und verkehrt sich auf Dauer ins Gegenteil.

Die richtige Darmernährung enthält viele vitale Ballaststoffe, von denen sich die Darmbakterien ernähren können und die im Darm in kurzkettige Fettsäuren umgewandelt werden. Sie bewirken ein Gefühl von Sattheit und Zufriedenheit und verhindern letztlich damit auch Übergewicht und die damit verbundenen sog. Zivilisationskrankheiten.

Prof. Dr. Gregor Hasler bildete sich nach seinem Medizinstudium zum Psychiater und Psychotherapeuten aus. Nachdem er sich intensiv mit unklaren Darmbeschwerden und den Ursachen von Übergewicht beschäftigte, kamen die Neurowissenschaften hinzu. Im Laufe seiner Arbeit stellte er fest, dass Darmprobleme und Essstörungen häufig mit psychischen Problemen einhergehen. Als behandelnder Psychiater erkannte er, dass die körperliche Wahrnehmung, ob man sich in seinem Körper wohlfühlt oder nicht, untrennbar verbunden ist mit der psychischen Wahrnehmung. Die Normalisierung des Essverhaltens, auch im circadianen Rhythmus von Tag und Nacht, ist der entscheidende Erfolgsfaktor in vielen seiner Behandlungen.

Zu einem normalen Essverhalten gehört lt. Hasler eine abwechslungsreiche Ernährung. Er teilt nicht die Meinung vieler Experten, wonach bei Unverträglichkeiten diese Nahrungsbestandteile dauerhaft weggelassen werden müssen. In einem aktuellen webinar bezeichnet er den Darm als ein neuroplastisches Organ, das sich, wie das Gehirn, in der Richtung verändern lässt, in der es benutzt wird. Die Darmbakterien in einem diversifizierten Mikrobiom und deren Ernährung hält er für den wichtigsten Faktor für ein Leben ohne psychische Störungen.

Fazit: Unverzichtbar, wenn man das Zusammenspiel von Darm und Gehirn verstehen und ursächliche Probleme angehen will.